Deutsche Übersetzung in Fraktur

Gerrit Sangel z0idberg at gmx.de
Wed Jan 2 15:23:09 CET 2008


> Hallo Gerrit,
> Dir und allen zunächst ein FROHES NEUES JAHR 2008!

Hallo Ralf
ebenso von mir auch ein frohes neues Jahr

> Dein paläolinguistischer Enthusiasmus evoziert Reaktionen zwischen
> Wohlwollen und Kopfschütteln. Immerhin wurden einige wichtige Einwände
> (Zeit und Zweck) bereits genannt, so dass wir uns nun der technischen
> Seite widmen können...

Naja, ich möchte hier niemandem vor den Kopf stoßen oder irgendwem Arbeit 
auflasten, also am besten etwas locker sehen :) Aber ist ja schon mal ganz 
nett, daß ihr meine Idee aufgreift und darüber diskutiert.

> Am Samstag 29 Dezember 2007 schrieb Gerrit Sangel:
> > Schade, dass ich nicht programmieren kann, sonst würde ich die Sache
> > wohl selber in die Hand nehmen.
>
> Wer sagt, dass du nicht "programmieren" kannst? Wer fremde und alte
> Sprachen spricht, vermag sich auch in die Syntax von C++ einzudenken.
> Vielleicht beginnst du aber erst einmal mit Logo (Kturtle) oder Basic
> (Gambas) ;)

Ich kann ein klein wenig C++ und versuche es auch zur Zeit zu vertiefen. Aber 
ich glaube, bis ich mich an ein größeres Projekt ranwagen kann, dauert es 
noch Jahre ;) Ist nicht so, daß ich es nicht versuchen würde ;)

> Ich denke aber, dass vor der Implementation weitere konzeptionelle
> Überlegungen notwendig sind.
> - Unicode/UTF8: Offenbar gibt es für Ligaturen eigene Zeichencodes.
>   Bekannt war mir das arabische La. Wie sieht es bei der Unterscheidung
>   zwischen Eigen- und Fremdwärtern im Japanischen aus? Wird hier
>   lediglich (wie von dir vorgeschlagen) der Zeichensatz gewechselt,
>   oder gibt es eigene Codes für Katakana und Hiragana? Wenn dem so ist
>   wäre die eleganteste Lösung, die Frakturschrift zum Alphabet zu
>   befördern und eigene Codes vorzusehen.

Die Zeichencodes für Ligaturen waren meines Wissens nach ein „Fehler“ des 
Unicode Consortiums, und es wird aktuell davon abgeraten, sie zu benutzen. Es 
gibt ja z.B. „fi“ und „ff“. Die bevorzugte Vorgehensweise für Ligaturen ist 
nun aber Opentype. Daher lehnt es das Unicode Consortium auch ab, weiteren 
Ligaturen Codepunkte zuzuweisen. 

Und Fraktur wird vom Unicode Consortium als Stilvariante des Lateinischen 
betrachtet – vom stilistischen Standpunkt her auch eigentlich völlig 
berechtigt. Leider verkompliziert das die Sache etwas.

Das Japanische schreibt „eigene“ Wörter meistens in Hiragana und Kanji und 
Fremdwörter in Katakana und Romaji (lateinische Schrift). Das ist aber alles 
ganz einfach, da alle Zeichen in Unicode getrennte Codepunkte haben und sich 
deswegen nichts vermischt. Auch Katakana und Hiragana sind getrennt, obwohl 
sie sich eigentlich (fast) komplett aufeinander abbbilden lassen. Ist da ganz 
ähnlich wie Groß- und Kleinschreibung bei uns, wenn auch die Verwendung 
anders ist. Ein ähnliches Problem wie in meinem Falle ist allerdings die Han 
Unification, die Zeichen, die in China und Japan ähnlich, aber doch anders 
geschrieben werden, gleiche Codepunkte zuweist und die dann nur durch die 
Schriftart unterschieden werden. Der Unterschied ist dann aber, daß man dann 
nicht im Dokument die Schrift ändern muss, weil dann durchgängig eine 
japanische Schrift benutzt wird.

Was möglich wäre, ist vielleicht sich das lateinische Alphabet in der Private 
Use Area zu „spiegeln“ und die Codepunkte dann für Fraktur zu verwenden. Das 
würde aber Probleme mit den Schriftarten aufweisen, da keine Frakturschrift 
so beschaffen ist. Da müsste man dann irgendwie das ganze bei der Anzeige der 
Schrift wieder auf das normale Alphabet belegen und die Sache mit der PUA nur 
für die Kodierung beibehalten. Ich denke, das könnte aber nur eine Notlösung 
sein, die Möglichkeit mit der Auszeichnung des Schriftstils wäre besser in 
meinen Augen.

> - Locale: Du möchtest nicht nur das Schriftbild anpassen, sondern auch
>   die Rechtschreibung (und womöglich den Diktus) des (vor)vergangenen
>   Jahrhunderts aufgreifen. Dies erfodert aus meiner Sicht dir Einführung
>   einer neuen (Sub-)Locale. Moodle verwendet de_du als Variante, in der
>   der Leser geduzt wird. Gibt es für Altgriechisch eine eigene Locale?
>   Wie steht es mit Latein? Sollten obsolete/historische ("tote")
>   Sprachen ggf. zu einer Locale "hi" vereint werden: hi_DE wäre
>   altdeutsch, hi_el altgriechisch etc.?

Naja, Diktus denke ich nicht. Allein die Rechtschreibung, weil es wirklch sehr 
hässlich aussieht, wenn man ſs schreibt (in Lateinschrift nicht, da sieht es 
dann einfach ähnlich wie ein ß aus, allerdings in Fraktur schon). Aber ich 
denke mal, da könnte man noch drüber diskutieren. War eh nur ein Vorschlag 
von mir ;)

Eine „Sublocale“ hatte ich ja vorgeschlagen. Latein hat ja einen eigenen 
Sprachcode in ISO 639, müsste „la“ oder „lat“ sein. Altgriechisch scheint 
„grc“ zu haben. Altdeutsch hat übrigens auch eine Locale, „goh“ für 
Althochdeutsch, Altniederdeutsch weiß ich nicht, steht nicht bei Wikipedia ;) 
Aber die Sprache unterscheidet sich in meinem Falle ja nicht von der 
aktuellen. Man müsste höchstens nach Rechtschreibreform untergliedern ;) Dann 
wäre das vielleicht „1901“ für alte Rechtschreibung, und „1996“ oder wann das 
war für die neue. 

Diese Locale sind meines Wissens nach so aufgebaut, dass man sie durch 
Abtrennung weiter verfeinern kann. Das passiert z.B. bei Chinesisch, da gibt 
es Locales für China, Taiwan und Hongkong: „zh-TW“, „zh-CN“ und „zh-HK“.
Da ist der zweite Code allerdings ein Regionscode, kein Schriftcode.
Es gibt allerdings auch Schriftcodes (siehe ISO 15924) die sollten dann vor 
den Regionscode gesetzt werden. Leider sind die nicht soo verbreitet. 
Beispiel wäre: zh-Hant-CN (für Chinesisch (zh), Langzeichen (Hant) in China 
(CN)). 
Die KDE-Übersetzung müsste vielleicht korrekterweise im Moment 
„de-Latn-DE-1996“ gekennzeichnet werden, aber viele Codes werden bei manchen 
Sprachen impliziert. Bei „en“ ist es z.B. eigentlich selbstverständlich, daß 
man das mit „Latn“ schreibt. Bei Deutsch mittlerweile ja auch, wenn man es 
nicht explizit gegenüber Fraktur abgrenzen will.

Für Fraktur wäre dann eine Locale „de-Latf“ (oder „de_Latf“) eigentlich am 
besten. Das sagt genau das aus, was es ist: Deutsch in Fraktur. Man könnte 
das natürlich dann noch unterteilen in „de-Latf-1901“ für die Rechtschreibung 
von 1901, aber ich denke, das ist nicht so wichtig. Nur „de-Latf“ wäre halt 
notwendig, um das von der normalen Schreibung abzugrenzen. Ich sehe da auch 
keinen Sinn, sich irgendwelche neuen Codes auszudenken, wenn die ISO in 
mehreren Dokumenten da schon was standardisiert hat. Ich weiß nur nicht, wie 
das im Unix-Umfeld mit den Locales aussieht, ob man sich da einfach was 
ausdenken kann, was verwendet wird, usw.

>
> Gibt es eine Wikipedia in Fraktur? Bei Wikimedia entstehen ja die
> exotischsten Ableger: von Volapük über Klingonisch bis hin zu Elbisch
> ist m.W. alles vertreten (was ist mit Gotisch?)- und standardisiert
> (UTF, Locale).

Wikipedia in Fraktur gibt es nicht, weil es eben einfacheine stilistische 
Variante ist, obwohl das ganze da vielleicht etwas einfacher zu realisieren 
wäre. Das Problem ist dabei, daß da die Texte automatisch umgewandelt werden 
müssten, und ich denke, das ist etwas aufwendig. Eine komplett neue Wikipedia 
mit den Texten in Fraktur aufzumachen, ist imho etwas sinnfrei, da man 
praktisch 1:1 die deutschen Texte übernehmen könnte, man nur ab und zu das s 
ändern müsste.

> Als "Proof of Concept" solltest du dir vielleicht ein kleineres Dokument
> als ausgerechnet die KDE-Dokumentation vornehmen. Interessenten
> könntest du auch im Projekt Gutenberg finden, wenn es darum geht,
> historische Texte authentisch zu reproduzieren.

Naja, das Problem der Fraktur in heutiger Zeit ist, daß sie praktisch nur für 
Texte, die sich um Fraktur drehen oder für Texte von damals verwendet wird. 
Sie wird aber nie für *allgemeine* Texte verwendet, das ist das Problem. 
Deswegen kommen da nur Leute mit in Berührung, die sich damit auch schon 
beschäftigt haben. Da das auch nicht in der Schule gelehrt wird und keine 
Bücher mehr so gedruckt werden, ist das etwas blöd.

Aber kleinere Dokumente hätten doch im Grunde das gleiche Problem wie jetzt 
bei meinem Vorschlag (gut, HTML nicht). Das Problem im Moment besteht an der 
Umschaltung der Schriftarten von Latein zu Fraktur und umgekehrt. Ich denke, 
die Überarbeitung der „Übersetzung“ mit dem langen s wird nicht so viel 
Arbeit machen, man kann da ja gut reguläre Ausdrücke anwenden und dann würden 
ja nur noch einige Zweifelsfälle übrigbleiben, die man sich dann selber 
anschauen müsste. Einige Sachen werden z.b. fast immer ersetzt, z.b. sch zu 
ſch oder st zu ſt usw.

> Abschließend kann ich mir nicht verkneifen, auf die negative Konnotation
> frakturgesetzter Dokumente zu kommen. Nicht ganz ohne Grund erinnern
> altdeutsche Lettern eher an revanchistisches Gedankengut denn an
> technologischen Fortschritt bzw. demokratische Software.

Naja, welcher Grund ist es denn? ;) Die lateinische Schrift ist ja sogar noch 
älter als Fraktur, die sich ja erst später aus ihr entwickelt hat. Übrigens 
wurde Fraktur ja sogar von Hitler verboten, von daher versteh ich es nicht 
ganz, wieso Fraktur damit assoziiert wird. Auch in der Weimarer Republik 
wurden die Buchstaben noch für den Großteil der deutschen Druckwerke benutzt 
(wenn auch vielleicht nicht mehr so oft für naturwissenschaftliche 
Dokumente). 
Gut, ich muß zugeben, das es etwas „alt“ anmutet, allerdings kommt das eben 
auch daher, daß einem von jeder Seite gesagt wird: „Fraktur ist alt und 
überholt“. Ich sehe da allerdings keinen Grund für, das ist für mich keine 
Schrift, die irgendwelche politischen Ideologien trägt. Es ist einfach nur 
eine Schrift, die meiner Meinung nach ästhetisch ein wenig besser als die 
lateinische Schrift ist (wenn auch leider heutzutage anfangs etwas schwierig 
zu lesen). Und wenn sie eben nur für solche alten Texte benutzt wird, dann 
ist es leider logisch, daß es irgendwie unterbewusst als „alt“ mitschwingt. 
Aber grade „demokratische Software“ bietet doch die Möglichkeit, solchen 
Minderheitssprachen oder -schriften wieder etwas Leben einzuhauchen. Wenn ich 
mich an Microsoft wenden und fragen würde, ob die von Windows nicht auch eine 
Frakturvariante anbieten wollen, würden die das ja nicht mal beachten. Ich 
mein, es gibt doch auch KDE in Plattdeutsch ;)
Und ich glaube nicht, daß KDE negative Presse machen würde, wenn es das in 
Fraktur gäbe. Es muss ja niemand benutzen. 

Grüße
Gerrit


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